Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen müssen fair und transparent sein

Bei der Weiterbildung von Arbeitnehmern/Managern spielen Arbeitsverträge immer öfter eine zentrale Rolle. Die arbeitsvertraglichen Regelungen enthalten häufig Klauseln über Vertragsstrafen, die für Arbeitnehmer/Manager erhebliche finanzielle Folgen haben können. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 20. Oktober 2022 (Az.: 8 AZR 332/21) beleuchtet die Zulässigkeit solcher Vertragsstrafen und zeigt auf, unter welchen Bedingungen sie unwirksam sind. Für Arbeitnehmer, hier speziell „Ärzte in Weiterbildung“ ist dieses Urteil von großer Bedeutung, da es wichtige Leitlinien für die Gestaltung und Bewertung von Arbeitsverträgen setzt.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Ärztin in Weiterbildung zur Fachärztin für Dermatologie und Venerologie, war seit dem 1. Februar 2016 bei einer Gemeinschaftspraxis beschäftigt, die später von einem medizinischen Versorgungszentrum übernommen wurde. Der Arbeitsvertrag sah eine ordentliche Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit erst nach 42 Monaten vor. Wurde das Arbeitsverhältnis vertragswidrig vor Ablauf dieser Frist beendet, sollte eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsgehältern fällig werden. Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis zum 28. Februar 2018 aus familiären Gründen. Die Beklagte forderte daraufhin eine Vertragsstrafe von 13.305 Euro, mit der sie die ausstehende Vergütung der Klägerin verrechnete. Die Klägerin klagte auf Zahlung des ausstehenden Arbeitsentgelts für den Monat Februar 2018.

Entscheidungen der Vorinstanzen

  • Arbeitsgericht Ulm, Urteil vom 7. Februar 2019 (Az.: 2 Ca 127/18): Das Arbeitsgericht gab der Klägerin recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des ausstehenden Entgelts. Die Vertragsstrafe wurde als unwirksam erachtet, da sie eine unangemessene Benachteiligung darstellte.
  • Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Mai 2021 (Az.: 1 Sa 12/21): Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts und reduzierte die zu zahlende Summe geringfügig.

Entscheidung der letzten Instanz: Bundesarbeitsgericht

Das BAG bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Revision der Beklagten zurück. Es stellte fest, dass die Vertragsstrafenregelung im Arbeitsvertrag unwirksam ist, da sie die Klägerin unangemessen benachteiligt und nicht transparent genug formuliert ist.

Das BAG führte aus, dass die Regelung der Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen nicht den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht. Insbesondere kritisierte das Gericht, dass die Vertragsstrafe unverhältnismäßig hoch sei und die Interessen der Klägerin nicht angemessen berücksichtigt würden. Es betonte, dass bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Vertragsstrafe immer eine Einzelfallprüfung erforderlich sei, die alle Umstände des jeweiligen Falls berücksichtigt.

Rechtliche Bewertung

Die Entscheidung des BAG hat wichtige Auswirkungen auf die Gestaltung von Arbeitsverträgen im Bereich Fortbildung, Weiterbildung, insbesondere auch der ärztlichen Weiterbildung. Die Klausel über die Vertragsstrafe wurde als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) betrachtet und unterlag daher den strengen Anforderungen des § 307 BGB. Das BAG stellte klar, dass Vertragsstrafen nur dann zulässig sind, wenn sie transparent und verhältnismäßig sind. Die Höhe der Vertragsstrafe darf nicht unangemessen hoch sein, und die Bedingungen, unter denen sie erhoben wird, müssen klar und verständlich formuliert sein.

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass Arbeitsverträge, insbesondere solche in der Weiterbildung, einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung bedürfen. Arbeitnehmer sollten sicherstellen, dass die Vertragsbedingungen ihre Rechte nicht unverhältnismäßig einschränken und dass alle Klauseln klar und verständlich sind.

Praktische Tipps für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

  1. Überprüfung von Vertragsstrafenklauseln: Arbeitgeber sollten die Klauseln über Vertragsstrafen, gründlich prüfen. Achten Sie darauf, dass die Bedingungen klar und eindeutig formuliert sind.
  2. Überprüfung von Vertragsstrafenklauseln: Arbeitnehmer sollten Klauseln über Vertragsstrafen nur dann vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages mit dem Arbeitgeber erörtern, wenn sie den Vertrag ansonsten nicht unterschreiben würden. Arbeitnehmer sollten bedenken, dass die Verhandlung / bzw. Korrektur einer Vertragsklausel vor Unterzeichnung zur Folge hat, dass diese Klausel ggf. nicht mehr durch ein Gericht überprüfbar ist. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen bei der Frage, ob eine Änderung der Klausel vor Unterzeichnung des Arbeitsvertrages notwendig ist oder nicht, helfen.
  3. Rechtliche Beratung: Bei Unklarheiten oder potenziell unangemessenen Vertragsklauseln sollten Arbeitnehmer vor Unterzeichnung – stets – rechtliche Beratung zur Klärung der Frage, ob diese Klausel nicht offensichtlich unwirksam ist, in Anspruch nehmen.
  4. Bewusstsein für eigene Rechte: Informieren Sie sich über Ihre Rechte als Arbeitnehmer, insbesondere im Bereich der Weiterbildung. Unverhältnismäßige Vertragsstrafen sind oft anfechtbar.

Fazit

Das Urteil des BAG vom 20. Oktober 2022 bietet wichtige Orientierungshilfen für Arbeitnehmer, insbesondere für Ärzte in Weiterbildung, hinsichtlich der Zulässigkeit von Vertragsstrafen. Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, dass Vertragsklauseln transparent und fair sein müssen, ansonsten sie keine Wirksamkeit entfalten können. Arbeitnehmer sollten stets rechtlichen Rat einholen, um unangemessene Vertragsbedingungen zu vermeiden und ihre Rechte effektiv zu schützen.

 

  • Meinolf Nierhof

    Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
    Wirtschaftsmediator Eucon/Universität Bielefeld
    Zertifizierter Berater Arbeitsrecht für leitende Angestellte/Führungskräfte (VDAAA e. V.)
    Zertifizierter Berater Arbeitsrecht für Arbeitnehmer (VDAA e.V.)
    Zertifizierter Berater für Kündigungsschutzrecht (VDAA e.V.)

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Meinolf Nierhof, Inhaber

Fachanwalt für Arbeitsrecht Wirtschaftsmediator (Univ. Bielefeld)

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